Faslam in Schätzendorf um 1850
Langsam und schwer fällt der Schnee über Schätzendorf. Früher noch als sonst kommt der Abend in den noch so weltfernen Ort, der in der tief verschneiten Heide der Winsener Geest liegt. Hell aber strahlen die kleinen Fenster mit den bleiverglasten Scheiben aus Bruns-Hause (Anm.: heute Isernhagen-Rieckmann) in die Winternacht, des Kruges dieses kleinen Ortes. Es ist Faslam.
Die große Diele hat der Bauer selbst für diesen Tag frisch getüncht, Tannenkränze mit bunten Papierschleifen und Rauschegold hängen an den Wänden, von den Deerns des Ortes gebunden. „Von mientwägen kannt nu losgahn, nu lat de Muskanten man kommen“.
Bruns-Vadder schaut über seine Schänke, die er auf der Diele aufgebaut hat. Die Bierfässer sind in Ordnung, die Rumbuddel richtig gefüllt für den Grog, das Getränk dieser Jahreszeit, ein Glas „vör twe gute Groschen und döttein vör’n Daler“. Auch der Köm aus dem nahen Salzhausen steht bereit.
Lachend und polternd schieben sich die „Muskanten“ durch die Missendör, begleitet von den Jungkerlen des Dorfes. Ein langer Tisch oben vor dem Feuerherd, auf dem das offene Herdfeuer brennt, ist für sie bestimmt, und auf den beiden Futterkisten vor dem Pferdestall können die tanzmüden Deerns Platz nehmen.
Der Kapellmeister meint: „Man driest tau, man jümmer wiss in’n Tritt un lut, dat is up’n Faslam de Hauptsak“. Wenn die Gesellschaft erst einmal im Tritt war, ging der „Bunte“ auch mit Gesang alleine weiter.
Der Schätzendorfer Faslam hatte also begonnen und „Faslam will sien Willen hebben“. Die Deerns stehen auf der lütten Dönz und auf dem Flett, denn wer etwas auf sich hält, lässt sich holen.
Ein harter Taler fliegt auf den Musikantentisch: „Erst ´nen Runden und denn ´nen Dreitritt“. Die Paare finden sich. Der Besteller lässt durch Heben seines Armes die Musik verstummen, denn wer den Tanz bestellt hat, kann seine Länge bestimmen. Er tanzt mit seiner Deern als erstes Paar „vörn Disch“ in dem Karree vor dem Musikantentisch. Es ist Sitte mit der Deern den Bunten zu tanzen, mit der auch der vorhergehende Rundtanz getanzt worden ist.
Die Musik geht weiter, und Bruns Mudder hat bei all ihren Verpflichtungen die Musikanten schier vergessen, sie warten auf ihr Nachtessen. Sie hat einen „Groden Klüten“ im Bett aufbewahrt, um ihn dort schön warm zu halten.
Der zwölfjährige Christoph Putensen aus Gödenstorf, der bereits in der Kapelle mitspielt, war müde und schlief nun in der Butze an der lütten Dönz. Nun entdeckt Mudder Bruns zu ihrem Schrecken den schlafenden Jungen und ruft: „Nu liggt de Jung op mienen schönen Klüten“ !
Christoph Putensen (*1837 in Gödenstorf) war später einer der bekanntesten Heidemusikanten, er erzählte diese Begebenheit oft und meinte: „De Klüten hett uns aber doch noch smeckt“!