Selten erledigten die Bewohner unserer Gemeinde ihre Einkäufe in früheren Zeiten in anderen Dörfern oder Städten, und wenn überhaupt, war man lange unterwegs. Bekleidung wurde schon mal in Winsen, Lüneburg, Harburg oder Hamburg gekauft. Eine Fahrt mit der Kleinbahn OHE („ohne Hast und Eile“) oder mit dem Postbus in die Stadt dauerte meistens 2 Stunden, in allen Ortschaften an der Strecke wurde angehalten. Ein Auto konnten sich nur wenige leisten. Das änderte sich erst in den 1960er Jahren, mit der Wirtschaft ging es bergauf, Löhne und Gehälter stiegen, erste Versandhäuser entstanden.
Aber wo kauften die Dorfbewohner ihre Lebensmittel, die nicht vom Eigenanbau im Garten, vom Bauern oder der Hausschlachtung stammten? Wo besorgten sie sich ihre Bekleidung, Schuhe oder Dinge für Haus und Hof? Zunächst gab es in fast allen Dörfern kleine „Hökerläden“, in Egestorf bei „Hökers“ in Nr. 15 (jetzt Rutz) am Sudermühler Weg. Im Ort existierten vor dem 1. Weltkrieg zwei Geschäfte, das „Kaufhaus“ P. C. Bahlburg (ab 1936 Adolf Kohrs, seit 1994 Pächter Andreas Pache) und bereits seit 1880 das von Kaufmann Leopold Müller. Gleichzeitig befand sich in diesem Haus von 1882 bis Anfang der 1950er Jahre die Poststelle und von 1908 bis 1928 die Spar- und Darlehnskasse. In beiden Geschäften wurde außer mit Lebensmitteln auch mit Werkzeugen, Geschirr, Draht, Nägeln, Schrauben usw. gehandelt, waren im Grunde kleine Baumärkte. Sogar Tierfutter und Düngemittel konnte man hier kaufen. Ab 1921 bekam man diese Artikel bei der Bezugs- und Absatz-Genossenschaft an der Alten Dorfstraße, sie gehörte zur Spar- und Darlehnskasse. Im Keller befand sich eine Mosterei, die Dorfbewohner brachten im Herbst ihre Früchte hin und erhielten dann frisch gepresste Säfte. In dem Gebäude befinden sich heute Mietwohnungen.
Bei Kohrs und Müller konnten die Dorfbewohner auch Stoffe, Gardinen und alle Nähutensilien kaufen, weiterhin gab es Wäsche, Handtücher, Porzellan, Küchengeräte sowie kleine Geschenkartikel. Bekleidung nähten die Hausfrauen oftmals selbst. Wer es sich leisten konnte, beauftragte für die Anfertigung einen Schneider oder eine Schneiderin. Dieses Handwerk übten in Egestorf früher mehrere Personen aus, in den 1950er Jahren u. a. Otto Tödter, Ferdinand Ehlers und Franz Pietruska sowie die Schneiderinnen Dora Ehlers und Emma Bentink. In vorigen Jahrhunderten verdienten sich vielfach Lehrer als Schneider Geld zum Leben dazu. Lange Zeit gab es auch sogenannte „Weißnäherinnen“, sie fertigten aus Leinenstoffen Bett-, Tisch- und Unterwäsche, Handtücher und Bekleidung an. Noch in den 1960er Jahren kamen angeforderte Schneiderinnen ins Haus. Sie nähten neue Bekleidung oder besserten sie aus und blieben meistens mehrere Tage. Die Näherinnen wurden auch beköstigt.
Adolf Kohrs verkaufte in der oberen Etage Bekleidung, von ca. 1965 bis 1993 befand sich die Abteilung im hinteren Bereich des Erdgeschosses. Ferdinand Ehlers führte am Hauskoppelweg neben der Schneiderei ein Wäschegeschäft. Viele Kunden kamen auch aus den damals so genannten „Außendörfern“ Sahrendorf, Schätzendorf, Döhle und Evendorf, Undeloh, Lübberstedt oder Nindorf nach Egestorf. Oftmals wurden Einkäufe sogar am Sonntagmorgen vor oder nach dem Kirchgang erledigt, das war selbstverständlich. Feste Ladenöffnungszeiten gab es bereits, aber man hielt sich nicht immer daran, und die Geschäftsinhaber freuten sich, wenn sie noch „etwas umsetzen“ konnten.
Zum 1. Advent jeden Jahres warteten die Dorfkinder sehnsüchtig auf die Spielzeugausstellung in den Schaufenstern. Bei Kohrs gab es eine für damalige Verhältnisse besondere weihnachtliche Dekoration, u. a. mit großen Pappweihnachtsmännern. Zahlreiche Kinder schrieben damals ihren Spielzeugwunsch auf den Wunschzettel, den der Weihnachtsmann auch oftmals erfüllte. Die Geschäfte hatten in der Adventszeit sogar sonntags geöffnet.
In allen Dörfern kamen die schulpflichtigen Mädchen nachmittags zum Handarbeitsunterricht, sie lernten hier unter der Anleitung einer Schneiderin das Nähen, Stricken und Sticken, auch den Umgang mit einer Nähmaschine. Die Stoffe, Wolle und Garn kaufte man selbstverständlich im Ort. Um 1900 existierten in den Dörfern Nähschulen, in denen junge Frauen die Anfertigung von Kleidungsstücken erlernten, in Egestorf bei Frau Tödter in Nr. 20 an der Lübberstedter Straße. Später befand sich in diesem Haus das Lebensmittelgeschäft Tödter und Behr, zusätzlich mit einer kleinen Schuhmacherei und Schuhladen.
Anfang des 20. Jahrhunderts existierte noch eine Schusterei von Hermann Behr an der heutigen Alten Dorfstraße. Eine weitere Schuhmacherwerkstatt mit einem Ladengeschäft der Familie Hermann und später Helmuth Ehlers existierte von 1919 bis 1980 in der Schätzendorfer Straße Nr. 6. Zahlreiche Kunden aus Egestorf und den umliegenden Dörfern kauften hier ihre Schuhe oder brachten sie zur Reparatur. Auch handgefertigte Schuhe, Schnür- und Reitstiefel wurden bis in die 1960er Jahre hergestellt, in der Werkstatt arbeiteten bis in die 1950er Jahre ebenfalls Gesellen und Lehrlinge. Wegen der guten Qualität kamen die Kunden von weither, auch Pastor Bode ließ hier seine Schnürstiefel anfertigen.
In Egestorf existierten um 1900 bereits zwei Bäckereien, Hermann Soltau zusätzlich mit einer Gastwirtschaft. Mit zwei Pferdegespann-Bäckerwagen erfolgte die Auslieferung von Backwaren in die umliegenden Dörfer. Karl Wohlgemuth führte seinen Betrieb zunächst im Backhaus des Sellhorn-Hofes am Hauskoppelweg und ab ca. 1910 in einem Neubau an der Dorfstraße gegenüber der Kirche. Das Wohn- und Geschäftshaus wurde 1944 beim Bombenabwurf auf Egestorf vollständig zerstört, Meister Karl Wohlgemuth sen. kam dabei ums Leben. Das Haus wurde erst einmal als kleine Bäckerei mit Laden und Café wieder aufgebaut. Soltaus gaben ihr Geschäft in den 1960er Jahren auf, Karl Wohlgemuth jun. verkaufte das Anwesen Ende der 1950er Jahre an Kurt Renk. Das Gebäude wurde nun aufgestockt und modernisiert. Als Pächter zogen Franz und Trude Grunert mit Familie ein, die Älteren von uns erinnern sich noch an die große Brot- und Kuchenauswahl. Das neu eingerichtete „Heide-Café“ wurde erfolgreich weitergeführt, abends fungierte es als beliebter Jugendtreff. Eine Musikbox sorgte für die Unterhaltung der Dorfjugend. In den 1980er Jahren kamen weitere Pächter, heute befindet sich im Haus ein türkisches Restaurant.
1967 entstand in Egestorf eine weitere Bäckerei, Heinrich Vick aus Evendorf machte sich in der Waldsiedlung am Bickbeerweg selbstständig. Er verkaufte die Backwaren in seinem neuen Laden und von seinem Verkaufswagen aus. Heinrich Vick verpachtete sein Geschäft 1997 an Detlef Steinborn, der es noch bis 2009 weiterführte. Seitdem befindet sich in Egestorf kein selbstständiger Bäckereibetrieb mehr.
Natürlich fehlte es im Dorf nicht an Wurst und Fleischwaren, es existierten schon seit den 1920er Jahren zwei Schlachtereien, Hermann und Horst Ehrhorn am Sudermühler Weg (jetzt Rautenberg) und bis vor kurzem Ewald Albers an der Lübberstedter Straße. Auch im Geschäft von Adolf Kohrs befand sich zeitweise eine Fleisch- und Wurstwarenabteilung.
Mit seinem Lebensmittel-Verkaufswagen fuhr nach dem 2. Weltkrieg bis zum Ende der 1950er Jahre Karl Maybaum über die Dörfer, er wohnte mit seiner Familie in der Waldsiedlung in einem Behelfsheim. Er erwarb in Sahrendorf das Haus Nr. 17 von Hermann Bockelmann und richtete hier einen Verkaufsladen ein.
In den anderen Dörfern unserer Gemeinde befanden sich ebenfalls Lebensmittelläden, in Schätzendorf bei „Hökers“ (Heinrich Isernhagen) bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1965. Das Lebensmittelgeschäft wurde zuletzt von Hildegard Tödter betrieben, sie führte es anschließend in einem Neubau an der Straße Im Schätzendorfe weiter. Mehrere Pächter übernahmen Ende der 1970er Jahre für kurze Zeit den Laden bis er endgültig geschlossen wurde. Die Gärtnerei Joachim (jetzt Martin) Müller besteht seit den 1950er Jahren und wurde nach einem Umzug in das gegenüberliegende Haus erweitert und erneuert. Weiterhin existierte in Schätzendorf lange Zeit die bereits im 19. Jahrhundert gegründete Schuhmacherwerkstatt Witte. Meister Witte bildete auch Lehrlinge aus.
In Evendorf gab es viele Jahre einen Hökerladen mit Poststelle bei Erika Schneiders, ab Ende der 1960er Jahre führte Adolf Kohrs aus Egestorf hier für einige Zeit eine Filiale. Weiterhin befand sich an der Dorfstraße von 1930 bis 1982 die Bäckerei von Gottfried Vick. Sein „Evendorfer Vollkornbrot“ und die leckeren Brötchen waren in der ganzen Gegend bekannt, sein Bruder Heinrich Vick fuhr mit einem Verkaufswagen durch mehrere Orte. Ebenfalls in der Dorfstraße betrieb der Schuhmacher Otto Meyer viele Jahre seine Schuhmacherei mit einem kleinen Geschäft, später handelte er auch mit Gewehren.
Außer in Evendorf hatte Adolf Kohrs in den 1960er Jahren einen Verkaufsraum bei Hildegard Lemke in der Waldsiedlung. Olga Dech betrieb in ihrem Wohnhaus in der Soderstorfer Straße vorübergehend einen kleinen Laden, in dem sie Grundnahrungsmittel verkaufte. Ernst Pätzel vom Spechtweg fuhr einige Jahre mit einem Lebensmittel-Verkaufswagen über die Dörfer.
In Döhle wohnte am Ende des 19. Jahrhunderts in dem Haus Nr. 7 an der Ecke Hörpeler Weg / Wilseder Straße ein „Höker“, ca. 1880 J. C. Schlüschen. Sein Nachfolger war der Kaufmann Ferdinand Will. Er baute 1927 an der Dorfstraße ein neues Haus und führte hier seine „Kolonialwarenhandlung“ weiter. Ob vor dieser Zeit in der Nr. 4 „Kramerkate“ auch ein Hökerladen bestand, ist in den Aufzeichnungen nicht vermerkt, jedoch wegen des Namens anzunehmen. Nach dem 2. Weltkrieg hatte Theo Grosse in einem Behelfsheim gegenüber vom Gasthaus Aevermann (jetzt Parkplatz) viele Jahre ein kleines Geschäft. Es wurde später von Ilse Hartmann und Hermann Pyaida weitergeführt, nach einer Modernisierung übernahm 1989 Elisabeth Körner aus Evendorf den Laden. Hierzu eine kuriose Geschichte: Weil man hier „fast alles“ bekam, nagelten Jugendliche ein Schild mit der Aufschrift „Klein Karstadt“ an. Irgendwann nahm jemand (vermutlich ein Urlaubsgast) Anstoß daran, ein „Schnüffler“ wurde entsandt und Frau Körner befragt. Anschließend erhielt sie einen Brief von der Karstadt-Hauptverwaltung in Essen. In diesem wurde mit Anzeige oder Strafe gedroht, wenn das Schild nicht sofort abgenommen oder der Name geändert würde. So endete mit der Entfernung des „Corpus Delicti“ die Ära Karstadt in Döhle… Das Geschäft wurde Ende 1999 aufgegeben, das Gebäude später abgerissen.
In Lübberstedt hatte Gustav Mencke bis 1952 ein Geschäft, hierin befand sich auch die Poststelle des Dorfes. Auf einer Ansichtskarte steht die Bemerkung „Geschäftshaus“. Ab 1953 übernahm Hermann Tödter den Laden in seinem neu erbauten Haus, jedoch ohne Post. Er führte ihn bis zum Ende der 1960er Jahre. Anschließend richtete Hermine Hinrichs einen Verkaufsladen ein, sie wurde zunächst von Adolf Kohrs und dann von August Mestmacher aus Salzhausen mit Ware beliefert. Sie gab ihn Mitte der 1970er Jahre auf, seitdem gibt es im Ort keine Einkaufsmöglichkeit mehr.
Etwas Besonderes auf dem Dorf war in vergangenen Zeiten ein Buch- und Papierladen, in Egestorf gab es die Buchhandlung von Willi Kabell bereits 1933. Das Geschäft befand sich im „Doktorhaus“ an der Schätzendorfer Straße. Der Inhaber verstarb im 2. Weltkrieg, seine Frau Berta führte den Verkaufsladen bis 1965 weiter. Anschließend übernahm ihn Elsbeth Wienecke, das Geschäft bestand bis 1972. Es gab hier nicht nur Bücher im Angebot (auch leihweise), sondern ebenfalls Schreibwaren, Schulartikel, Zeitungen, Comics (Micky Maus, Donald Duck, Fix und Foxi), Groschen- und Abenteuerromane, Ansichtskarten und wichtig für die Urlauber: Andenken mit dem Aufdruck „Grüße aus Egestorf“ in Form von Gläsern, Tassen, Bildern, Honigtöpfen usw. Frau Wienecke verkaufte später auch Süßigkeiten – zur Freude der Schulkinder in der gegenüberliegenden Schule. Und noch etwas Besonderes konnten die Kunden hier bestellen: Rezeptfreie Medikamente. Sie kamen nachmittags mit dem Postbus aus der Haide-Apotheke Salzhausen. Der braune Koffer fuhr täglich die Strecke Egestorf-Salzhausen und wieder zurück! Hierin befanden sich außerdem die von Dr. Kurt Rickmann verschriebenen rezeptpflichtigen Medikamente, sie wurden von den Patienten in der Praxis abgeholt. Ein toller Service! Ab 1973 bis 2008 führten Heinz und Ilse Trampe in diesem Haus die „Egestorfer Felldiele“. Es wurde 2014 abgerissen, an dieser Stelle befindet sich heute ein Mehrfamilienhaus.
Elektrogeräte, Lampen und Glühbirnen erhielt man seit ca. 1940 bei Waldemar Schelhas (später Edmund Schelhas) und von 1950 bis Anfang der 1960er Jahre bei Heinz Krökel. Er handelte auch mit Radio- und Fernsehgeräten, Plattenspielern und Schallplatten. Das Haus Krökel wurde abgerissen (jetzt Anlage der Volksbank).
Anfang der 1960er Jahre eröffnete der Uhrmacher Hellmuth Jacobsen ein Uhren- und Schmuckgeschäft im Hause von Alma Bahlburg hinter der Kirche, er betrieb es an dieser Stelle weit über 10 Jahre. Das Bahlburg (Georgen) – Haus wurde 1964 abgetragen, Peter Rabeler aus Jesteburg baute auf dem Grundstück ein Wohn- und Geschäftshaus. Er eröffnete die „Stephanus-Drogerie“ mit Fotoabteilung sowie Malerbedarf, für Egestorf ein großer Fortschritt. „Drogen Peter“ (so sein Spitzname) führte diese bis 2002 und gab das Geschäft dann für 5 Jahre an Ute Neumair aus Undeloh ab.
Blumen wurden früher nicht so häufig gekauft, man hatte ja den eigenen Garten. Es gab aber bereits in den 1930er Jahren bis 1946 die Gärtnerei von August Brenning („Gärtner August“). Er wohnte am Barkhof und kam auf tragische Weise durch einen Blitzschlag ums Leben. Sein Nachfolger wurde Werner Bahlburg, der die Gärtnerei und seinen Blumenladen bis in die 1960er Jahre an der damaligen Bahnhofstraße (jetzt Wischhof) führte. In den 1980er Jahren eröffnete Dagmar Pantelmann ein Blumengeschäft an der Alten Dorfstraße (jetzt Friseur Pietsch), sie gab es nach ca. 20 Jahren Betrieb wieder auf.
Und heute (2023)? Es existieren nur noch das Kohrs-Geschäft mit Andreas Pache als Pächter, das Stephanus-Café von Inge Hoffmann im Hause Rabeler mit Verkauf von angelieferten Backwaren sowie seit 1991 die Linden-Apotheke Silvia Seipold, Elektro Roland Pietsch (Nachfolger von Schelhas) und seit 2008 das Elektrogschäft Daniel Wernicke, ebenso eine Tankstelle (von früher zeitweise vier im Ort!) mit Shop. Demnächst soll ein neuer Supermarkt im Gewerbegebiet entstehen, aber wird es hier weiterhin die netten Begegnungen der Dorfbewohner mit gemütlichem Klönschnack geben?