Egestorfer Herbstmarkt

Seit 1379 Egestorfer Markt

Der Egestorfer Kram- und Viehmarkt hat Tradition. Eine Urkunde vom 4. Juli 1379 sagt aus, dass Bischof Heinrich von Verden die Verlegung des Kirchweihfestes der Kapelle zu Egestorf vom Tage Maria Magdalena (22. Juli) auf den jeweiligen Sonntag vor diesem Tag genehmigt hat. Der Egestorfer Markt hat sich vermutlich aus dem Kirchweihfest entwickelt.

Später wurde der Markt auf den 2. Sonntag nach St. Gallus (16. Oktober) verlegt, er findet jedoch niemals am Reformationstag (31. Oktober) statt. In diesem Falle ist bereits eine Woche vorher Markt. Der Montag als Markttag (früher übrigens der wichtigere und zeitweise sogar der einzige Markttag) wurde 1826 eingeführt.


Eine Mitteilung des Bezirks-Ausschusses in Lüneburg an die Gemeinde Egestorf aus dem Jahr 1887 lautet:


Lüneburg, den 1ten Dezember 1887

In der Angelegenheit, betreffend die Genehmigung der von der Gemeinde Egestorf, Kreis Winsen, in der Sitzung am 7. November d .Js. beschlossenen Erhebung von Marktstandsgebühren, wurde nach Vortrag der Sache durch den Herrn Referenten und nach eingehender Berathung von dem Bezirks=Ausschuß beschlossen: dass der Beschluß der Gemeinde=Versammlung zu Egestorf vom 7. November 1887, betreffend die Erhebung eines Marktstandsgeldes von 8 Pf. für jeden Quadratmeter und jeden Markttag zu genehmigen.

In Kriegsjahren durfte kein Markthandel betrieben werden, allerdings sah man diese Verordnung während des 1. Weltkrieges nicht so eng. Im Oktober 1979 wurde „600 Jahre Egestorfer Markt“ gefeiert, aus diesem Anlass gab die Volksbank Nordheide eine Gedenkmünze heraus. Alle Marktregeln sind in einer sog. „Marktrolle“ eingetragen.

Der Name des Egestorfer Herbstmarktes lautet offiziell „Kram- und Viehmarkt“, denn früher wie heute handelt man hier mit Waren und Vieh. Noch in den 1960er Jahren kamen mehrere Viehhändler auf die Höfe und verkauften dort „per Handschlag“ hauptsächlich Kühe, Starken und Pferde. Heute werden nur auf „Rieckmanns Hoff“ (Marquardt) am Sonntag Pferde, Ponys, Hühner und andere Kleintiere angeboten.

Früher hatten alle Geschäfte an den Markttagen geöffnet, und in den drei Gaststätten im Ort begann die „Grogzeit“, mit Grog (Rum, heißes Wasser und Zucker) wärmten sich die männlichen Besucher wieder auf – er wurde reichlich getrunken. In den drei Gaststätten (Kruse, Soltau und Rieckmann) fanden auch Tanzveranstaltungen statt an denen nicht nur die Egestorfer Bürger, sondern auch viele aus den Nachbardörfern teilnahmen, denn Markttag war Festtag.

Noch vor dem 2. Weltkrieg war es üblich, dass Knechte, Mägde und Handwerksgesellen aus Egestorf und den umliegenden Dörfern zum Marktmontag frei bekamen. Hier deckte man sich auch mit neuer Bekleidung ein, es wird erzählt, dass sich die Knechte neue Unterwäsche kauften und die alte dann auf dem Acker unterpflügten. Oftmals gab es Prügeleien zwischen jungen Männern, der Egestorfer Arzt Dr. Witte beklagte sich in einem Jahr bei Pastor Bode, dass auf dem Markt wohl nicht viel los gewesen sei, er brauchte nur vier Verletzungen behandeln.

Der Egestorfer Markt war und ist noch heute Treffpunkt von Familien und Freunden. In früheren Zeiten bereiteten die Hausfrauen für den zu erwartenden Besuch große Bleche mit Butterkuchen vor, die dann zum Bäcker gebracht wurden und dort im Backofen garten.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts kamen die ersten Fahrgeschäfte und andere Attraktionen z.B. Schießbuden, „Hau den Lukas“ oder ein handelnder „Jakob“. In den 1930er Jahren wurde ein „Viehmensch“ vorgezeigt, er war als Junge in den Karpaten in aller Abgeschiedenheit aufgewachsen und ernährte sich angeblich von Briketts und Zeitungspapier.

Gerhard Bartels aus Egestorf erzählte folgende Begebenheit: 1938 stand das Kettenkarussell bei Adolf Kohrs an der Ecke, Schlachter Sellmer verkaufte vor Soltaus Haus Pferdewurst. Auch der Karussell-Besitzer hatte Hunger, sein Sohn musste ihn solange vertreten. Es dauerte nicht lange, da kamen die „Chaussee-Kerls“ (Straßenarbeiter) und wollten mitfahren, sie hatten bereits tüchtig ins Glas geguckt. Die Egestorfer Jungen sahen dies und fragten den Schausteller-Sohn, ob er die Riemen umstecken könne. Er tat dies, und schon flog der Kettenflieger rückwärts. Das konnten die Männer natürlich nicht verkraften, und am nächsten Tag mussten Kohrs Schaufenster geputzt werden….

Für die Kinder im Ort war der Markt nach Weihnachten das wichtigste Fest im Jahr. Sehnsüchtig warteten sie darauf, dass die Schausteller mit ihren Wagen eintrafen. Viele schauten beim Aufbau der Fahrgeschäfte zu, in den 1950er und 1960er Jahren stand an der Kreuzung bei Kohrs „Meeses Kinderkarussell“ mit Holzpferden, bei „Otten“ am Barkhof ein Kettenflieger und auf dem Kirchplatz waren eine Luftschaukel sowie „Die wilde Jagd“ mit der beliebten „Kaffeemühle“ aufgebaut. Allerdings gab es nicht so viele Verkaufsstände wie heute.

Am Marktmontag bekamen die Schüler keine Hausaufgaben auf. Von den Verwandten, die zu Besuch kamen, erhielten die Kinder „Marktgroschen“, auch ein Teil des in den Herbstferien beim Kartoffelaufsammeln verdienten Geldes wurde für den Herbstmarkt aufgespart.

Auch jetzt im 21. Jahrhundert zieht der Egestorfer Kram- und Viehmarkt immer noch viele Besucher an – er ist im Laufe der Jahre zur Attraktion im Landkreis Harburg geworden. Selbst Regen und Wind hält sie nicht von einem Bummel durch die Budenstadt rund um die historische St. Stephanus-Kirche ab. Schmuddelwetter gehört dazu, sonst ist kein Egestorfer Markt!

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